Wert und Grenzen einer Meinung

Viele von uns sind aktuell stark mit unterschiedlichen Meinungen konfrontiert. Für empathische und harmoniebedürftige Gemüter ist das sehr herausfordernd. Meinungsstarken Menschen dagegen ist es sehr wichtig, sich „richtig“ zu verhalten. Dasselbe erwarten sie von ihrer Umwelt. Wie gelingt es uns, die Spaltung innerhalb der Gesellschaft nicht weiter zu befeuern und dennoch unsere eigene Ansicht vertreten zu können?

Der menschliche Geist ist in der Dualität verhaftet: Dinge, die konträr zueinander stehen, sind nicht miteinander vereinbar. Das duale Denken verlangt vom Menschen, sich zum Thema „eine Meinung haben“ zu positionieren. Wir neigen dann entweder dazu, zwischen den Polen hin- und herzuschwingen und unsere Ansichten ständig zu verändern. Dabei sind wir nicht Fisch und nicht Fleisch. Oder aber wir tendieren zu einem extremen „Commitment“, das grundsätzlich die Gefahr der Radikalisierung bzw. des Dogmatismus birgt – unabhängig davon, ob wir uns für etwas „Gutes“ oder „Schlechtes“ einsetzen. Oder aber Menschen haben gar keine eigene Meinung mehr, weil sie regelrecht Angst davor haben oder durch die Informationsflut überfordert sind – meist handelt es sich um sehr friedfertige Zeitgenossen.

Nicht zuletzt gibt es Menschen, die das Gefühl haben, von äußeren Gegebenheiten völlig dominiert zu werden und darauf mit Ohnmacht oder Rückzug reagieren. Nicht selten kommt es auch dabei zu Rachephantasien oder einer Art von ohnmächtiger Wut.

In all den eben erwähnten „Grundzuständen“ formt sich so etwas wie eine Meinung. Die spannende Frage, die es sich dabei zu stellen lohnt, lautet: Stammt diese Meinung aus einer tiefen inneren Harmonie und sind alle wichtigen Informationen berücksichtigt und miteinbezogen? Kann sie zu einem sinnvollen Miteinander von Menschheit und Natur beitragen?

Der Wert einer Meinung

Ich unterscheide zwischen zwei verschiedenen „Arten“ von Meinungen. Die erste verdient die Bezeichnung Meinung nicht wirklich. Sie entspricht eher Luftpartikeln, die wir einatmen oder einem Nachplappern von Informationen. Diese Art der Meinungsbildung kennen wir von frühester Kindheit an, manchmal brauchen wir sie, um zu einer Gruppe dazuzugehören. In der Regel verbindet sich damit keine Radikalität. Obwohl vom Wesen her prinzipiell ungefährlich, vermüllt diese Art von Meinung dennoch unseren Geist. Es ist sinnvoll, sich dessen bewusst zu werden.

Die zweite „Art“ von Meinung ist gewachsen, eine aus dem Abgleich wissenschaftlicher Fakten und dem eigenen Inneren entstandene Ansicht. Wir könnten diese auch als Konsens bezeichnen. Ein solcher Konsens ist wie eine Bündelung von etwas, das wir jahrelang erforscht haben. Er hat den Charakter einer verbalen Verkörperung und ist immer greifbar. Solche Meinungen oder Tendenzen sind wichtig und können uns erden, weil sie unsere Selbstwirksamkeit fördern. Sie sind sehr dienlich – für uns selbst, aber auch für andere. Eine gewachsene Meinung sollte dem inneren Frieden nicht im Weg stehen. Denn wenn eine Meinung zu eng wird, grenzen wir uns selbst ein und leiden an körperlichen Verspannungen.

Die zentralen Fragen lauten: Regieren wir unsere Meinungen oder werden wir von ihnen regiert? Welchen Einfluss haben unsere Meinungen auf unser Lebensgefühl?

Wenn eine Meinung zu viel Raum einnimmt

Sobald wir das Gefühl haben, einer Meinung oder der Beschäftigung mit ihr zu viel Gewicht beizumessen, ist es Zeit für eine innere Distanz. Wir sollten uns dann dem Raum zwischen uns selbst und unserer Meinung widmen. Wir befreien uns damit aus dem zu eng gewordenen Korsett der eigenen Absichten und Haltungen, mit dem wir uns selbst schaden und andere verletzen. Das bedeutet keinesfalls, die Meinung selbst aufgeben zu müssen.

Häufig bemerken wir bei dieser Gelegenheit, dass wir gar nicht zu allem eine Meinung haben müssen. Manchmal ist es ausreichend, die Dinge zu betrachten, zu unterscheiden und sie gegebenenfalls weiterziehen zu lassen.

Wie hilft die non-duale Perspektive?

Den ersten Aspekt habe ich bereits erwähnt. Es ist häufig hilfreich, etwas Platz zwischen sich und der eigenen Meinung, einer Person mit einer anderen (vielleicht völlig konträren) Meinung und auch der anderen Person und ihrer Meinung zu lassen. Dazu müssen wir den Anspruch auf die Absolutheit unserer eigenen Meinung aufgeben und unseren gesunden Menschenverstand zu Rate ziehen. Letztere macht uns klar, dass wir niemals alle Aspekte einer Meinung erfassen oder ihren hundertprozentigen Wahrheitsgehalt kennen können. Es reicht dabei in Erwägung zu ziehen, dass sich manches anders darstellen könne, wenn wir die Betrachtungsweise ändern. Wir vertreten dann zwar unseren Standpunkt, räumen aber die Möglichkeit ein, etwas übersehen zu haben.

Lasst uns versuchen, menschlich zu bleiben und dabei „Unverständlichkeiten“ zu akzeptieren – auch in unserer eigenen Position. Wenn wir uns die eigene Fehlbarkeit zugestehen ohne die innere Haltung aufzugeben, gewinnt unsere Meinung an Weite. In der Folge entspannt sich unser Körper und die innere Energie kann freier fließen. Dann werden wir sichtbar, mit dem was wir denken oder mitteilen wollen – und bleiben gleichzeitig flexibel. Wir wirken auf andere weniger bedrohlich, sind aber trotzdem weniger angreifbar.

Wir bleiben also in Verbindung mit der Harmonie.

Wert und Grenzen einer Meinung

Im Podcast #060 geht um Wert und Grenzen einer Meinung. Viele von uns sind aktuell stark mit unterschiedlichen Meinungen konfrontiert. Wie gelingt es uns, die Spaltung innerhalb der Gesellschaft nicht weiter zu befeuern und dennoch unsere eigene Ansicht vertreten zu können?

  • wie Menschen auf konträre Meinungen reagieren
  • was eine gewachsene Meinung auszeichnet
  • wie uns die non-duale Perspektive zu mehr Harmonie verhilft
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